Volkswagen stellt die Weichen auf Umbau statt Abbau. Das neue Kraftzentrum des Konzerns entsteht am Stammsitz in Wolfsburg und soll das Unternehmen in eine nachhaltige Zukunft inklusive langfristiger Beschäftigungssicherung führen. Wie schafft Wolfsburg einen fairen Wandel? Ein Gespräch mit Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG.
(Redaktion) Bei VW seid ihr mit dem Thema "Transformation" schon ziemlich weit. Die Unternehmens-Strategie stellt in den nächsten Jahren die Elektrifizierung und die Digitalisierung, genauer, die Software-Integration, in den Mittelpunkt. Inwieweit wurde die Belegschaft in diesen Strategieprozess einbezogen?
(Daniela) Als Belegschaftsvertretung haben wir mit dem Zukunftspakt und in der "Roadmap Digitale Transformation" ein Fundament für die Anforderungen der Zukunft gelegt, das die Beschäftigten zum Teil des Wandels macht und die richtigen Bedingungen dafür schafft. Zum Beispiel legen wir weiter großen Wert darauf, die Kompetenzen, die benötigt werden, im eigenen Haus zu entwickeln und Beschäftigte für neue Aufgaben zu qualifizieren. Nicht nur in der klassischen Ausbildung. Die Fakultät 73 ist ein anderes gutes Beispiel. In zwei Jahren hat hier jede*r die Möglichkeit, außerhalb von formalen Voraussetzungen, Software-Entwickler*in zu werden. Erst vor wenigen Tagen haben weitere 91 Absolvent*innen ihren Abschluss gemacht und wechseln in einen Fachbereich oder zu unserer Software-Tochter “Cariad”.
Dieser Umbau soll bis 2030 nahezu alle Bereiche des Unternehmens, auch am Stammwerk in Wolfsburg betreffen. Welche Möglichkeiten eröffnet dieser Umbau für die Mitbestimmung und wie kann der Betriebsrat gestalterisch in diesen Prozess eingreifen?
Durch unsere Fachgremien und Kommissionen sind wir schon immer im Gestaltungsprozess einbezogen. Viele Impulse für aktuelle Prozesse sind daraus hervorgegangen. Wir verstehen uns als Volkswagen-Betriebsrat aber immer so, dass wir uns mit eigenen Ideen aktiv einbringen. Wir warten nicht auf Vorschläge und äußern uns dann dazu, wir bringen uns unter anderem in den Gremien aktiv ein. Für uns als Betriebsrat bedeutet es die Chance, den Wandel im Sinne der Beschäftigten zu gestalten. Statt den Wandel passieren zu lassen und anschließend die Bedingungen zu verändern, sorgen wir von vornherein dafür, dass die Zukunft des Konzerns gemeinsam mit den Beschäftigten entsteht.
Die mit dem Umbau einhergehenden neuen Produktionsweisen machen auch eine neue Ablauf- und Aufbauorganisation nötig. Die Arbeit wird künftig anders organisiert. Andere Unternehmen im Automobilbereich sind hier schon weiter. Was wird vor dem Hintergrund der starken Unternehmenskultur von Volkswagen trotz aller Weiter-Qualifizierungen nur schwer aufzuholen sein bei der Wandlung des Unternehmens?
Drastischem Personalabbau, der ja auch mit neu-organisierten Abläufen einhergeht, haben wir bei Volkswagen einen Riegel vorgeschoben. "Fairänderung" stand bei uns immer im Vordergrund. Das ist unsere Unternehmenskultur. Das mag manchmal längere Prozesse bedeuten, das nehmen wir aber in Kauf, wenn das Ergebnis stimmt. Wir müssen als Volkswagen den ONE-Family Gedanken im Blick behalten, das war und ist unsere Stärke. Wir haben schon einige große Veränderungen hinter uns und wir haben sie immer gemeistert und sind auch mit den Veränderungen zu dem Konzern geworden, der wir heute sind.
Oft wird bei Veränderungsprozessen vor allem auf technische Faktoren geachtet, aber es geht dabei immer auch um Menschen.Wie begleitet ihr diese Transformation, damit sie eine faire ist? Und worauf sollten Kolleginnen und Kollegen in anderen Betrieben achten, die vor ähnlichen Transformationsprozessen stehen?
Es braucht eine geregelte Mitbestimmung durch festgelegte Gremien, um Veränderungen umzusetzen. Das klingt sehr prozessorientiert, aber es stellt sicher, dass die Arbeitnehmervertretung immer angemessen informiert wird und sich so einbringen kann. Außerdem gilt: Nicht alles, was neu daherkommt, muss auf das eigene Unternehmen passen, man sollte individuell schauen, wie man Transformation im eigenen Bereich umsetzen kann. Der Austausch innerhalb der Branche kann aber hilfreich sein. Und am wichtigsten ist sicher: Transformation findet nicht auf der Überholspur statt. Strukturelle Fehler, die durch voreiliges Handeln gemacht wurden, lassen sich schwer korrigieren.
Die kommende BR-Amtszeit wird hinsichtlich der Weiterbildung und der Qualifizierung anspruchsvoll. Worauf legt ihr als Gremium ein besonderes Augenmerk?
Wir brauchen ein noch breiteres Angebot für alle Kolleginnen und Kollegen (auch und besonders in den Produktionsbereichen) und die Möglichkeit des informellen Lernens ohne komplizierte Bürokratie, wo uns unsere neue Lernplattform “degreed” hilft. Die Grundlage ist aber, dass alle Beschäftigten konkret und individuell auf sie zugeschnitten wissen, wie ihr Weg bei Volkswagen aussieht. Nur zu sagen, dass Qualifizierung nötig ist, ohne das Ziel zu nennen, funktioniert nicht. Der persönliche Kontakt und Empathie durch Vorgesetzte und Betriebsrät*innen spielen dabei eine große Rolle.
Es gibt auch viele Kolleg*innen, die erstmalig als Betriebsrät*in gewählt werden. Welchen persönlichen Rat möchtest du ihnen mit auf den Weg geben?
Volkswagen ist stark durch den Zusammenhalt in der Belegschaft. Wir sind alle Teil eines großen Ganzen. Deshalb schaut nicht nur auf euch, sondern seid auch empathisch und unterstützend gegenüber eurem Team und allen Kolleginnen und Kollegen.
Liebe Daniela, Dankeschön für deine Zeit und das Gespräch!
Daniela Cavallo absolvierte 1994 eine Ausbildung bei Volkswagen, studierte berufsbegleitend BWL und ist seit 2013 Mitglied des Gesamtbetriebsrats. Seit 2021 ist sie an der Spitze der Arbeitnehmervertretung; „ein wichtiger Moment nicht nur für Volkswagen, sondern für die gesamte Gewerkschaftsbewegung". (Handelsblatt)
Comments