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Wenn Ideen zusammenfinden

Aktualisiert: 6. Juli 2022

Interview mit Klaus Abel Lieber Klaus, Danke, dass Du Dir Zeit nimmst, mit uns über das Projekt Die IG Metall vom Betrieb aus denken zu sprechen. Du hast das Projekt von Anfang an geleitet. Was waren Deine persönlichen Highlights bisher?


Meine persönlichen Highlights waren bisher die Abschlussmodule der Zukunftsreihen. Was dort an Ideen, Energie und Engagement von unseren Kolleg*innen für die Bearbeitung der konkreten betrieblichen Projekte vorhanden war, hat mich bei meinen Besuchen immer wieder von neuem beeindruckt. Die Instrumente und Methoden, die unsere Trainer*innen den Kolleg*innen anbieten, um mit neuen Fragestellungen und Zielen an die Arbeit in Betrieb zu gehen, um alte Muster aufzubrechen, sind von den Kolleg*innen gut aufgenommen worden. Mehr noch: Sie setzen in meinen Augen neue Energien frei!

An welche Methoden und Instrumente denkst Du dabei?


Insbesondere agiles Projektmanagement, d.h. immer wieder schnell zu reagieren auf veränderte Umstände, ist eine wichtige Methode. Und ebenso Design Thinking, also immer von denjenigen her denken, die wir erreichen wollen und schnell auszuprobieren, ob unsere Idee, die wir haben, passt oder nicht, kann uns bei der Arbeit helfen. Der Ansatz, bei einem Projekt mit einer Befragung bei denjenigen zu beginnen, mit denen wir dann arbeiten wollen, bringt häufig viel.


Welche Rolle spielen dabei die Zukunftsreihen?

Ich war zuletzt bei einer unternehmensweiten Reihe bei Liebherr, da ging es ganz darum, erfolgreiche Betriebsarbeit noch besser mit der Vertrauensleute Arbeit auch über die Betriebe hinweg zu verbinden. Dadurch können in einem Betrieb, in dem wir als IG Metall bereits erfolgreich arbeiten, noch einmal ganz neue Potenziale freigesetzt werden und mehr Menschen für eine Mitarbeit bei der IG Metall gewonnen werden. Ein anderes Beispiel ist die Ansprache von Kolleginnen und Kollegen, die in den Büros bei Mercedes-Benz in Sindelfingen arbeiten. Dort sind die Veränderungspromotor*innen ganz bewusst systematisch auf die Beschäftigten zugegangen und haben nachgefragt, was ihre Erwartungen an die IG Metall Arbeit sind. Hierdurch sind sie noch mal zu neuen Erkenntnissen für Ihre Arbeit gekommen und haben neue Beschäftigte für die IG Metall gewonnen.


In Leipzig fand im Mai der große WerkstattKongress zum Projekt statt. Was war für Dich das Besondere, was hast Du mitgenommen?


Das Besondere war, dass die Veränderungspromotor*innen aus ganz Deutschland zusammengekommen sind, sich ausgetauscht und vernetzt haben. Alle Kolleg*innen, die bisher in ihrer Geschäftsstelle arbeiteten, haben gesehen, praktisch erfahren können, dass es eine starke bundesweite Initiative der IG Metall gibt, gemeinsam unsere Arbeit zu verändern, weiterzuentwickeln, um auch zukünftig stark und durchsetzungsfähig zu bleiben. Das lässt mich für die Zukunft unserer IG Metall optimistisch sein, wenn wir diese Energie in die Alltagsarbeit mitnehmen.


Was wird diese Vernetzung vermutlich bewirken, welche Hoffnungen verbindest Du damit?

Aus meiner Sicht bewirkt diese, dass neue Ideen entstehen, wie immer, wenn Gehirne zusammenfinden. Der Mensch braucht den anderen Menschen, um in seinem Leben voranzukommen, gerade auch bei der gewerkschaftlichen Arbeit. Und durch die Vernetzung werden neue Ideen verbreitet. Schließlich ermöglicht Vernetzung eine kollegiale Beratung, im Sinne, was läuft bei mir noch nicht so gut, wer kann mir dazu Anregungen aus seinen Erfahrungen geben oder was kann ich weitergeben an Stärken von unserer Arbeit.


Was haben die Kolleg*innen über das Bewusstsein hinaus Teil eines größeren Ganzen zu sein, durch die Vernetzung erfahren?

Sie erfuhren ganz konkrete Hilfestellungen, das heißt, ich komme an einem Punkt nicht weiter und habe einen Kollegen oder eine Kollegin kennengelernt, die in einer ganz anderen Region arbeitet, von der ich sonst nie erfahren hätte, die mit einer ähnlichen Herausforderung schon zu tun hatte und sie gelöst hat. Davon profitiere ich unmittelbar in meiner Arbeit.


Wie geht es jetzt weiter mit dem Projekt, welche Herausforderungen siehst Du für die kommenden Jahre, auch in Hinblick auf die gewerkschaftliche Bildungsarbeit?

Die Ergebnisse aus den Zukunftsreihen, den bezirklichen Routen-Workshops, den Themenwerkstätten, die Debatte um das Werkstattpapier nicht nur auf dem Kongress in Leipzig werden jetzt gebündelt und in Vorschläge überführt. Sie haben gemein, die Arbeit insgesamt als IG Metall voranbringen. Das ist kein abgeschlossener Prozess, sondern er wird uns die kommenden Jahre immer weiter begleiten. Da sich die Welt um uns herum ständig verändert, müssen wir es auch – ob es uns passt oder nicht. Und im Übrigen gilt: Machen, nicht reden. Jeder kann überall seine Arbeitsweise, sein Verhalten verändern und muss dafür nicht auf Beschlüsse des Gewerkschaftstages warten.


Was bedeutet das für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit?

Aus meiner Sicht gilt das ebenso für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit. Ich denke, die Kompetenzentwicklung bei betrieblichen Veränderungsprozessen durch Bildungsarbeit zu begleiten, das Prozesslernen von Handlungskollektiven zu befördern und sich als Trainer*innen aus dem Bildungsbereich interdisziplinär zusammenzuschalten, sind Punkte, die für die Zukunft der Bildungsarbeit eine Rolle spielen können. Noch ein Gedanke: Früher nannten wir die Kolleg*innen häufig Seminarleiter*innen. Heute bezeichnen wir sie als Trainer*innen, um deutlich zu machen, dass Bildung ein ständiger Trainingsprozess und nicht ausschließlich Seminararbeit ist. Allein an diesem kleinen Detail wird aus meiner Sicht bereits der Umbruch in der Bildungsarbeit deutlich.


Auf dem Kongress wurde gefordert, dass das Ehrenamt stärker eingebunden werden soll. Welche Ideen gibt es, welche konkreten Schritte fallen Dir dazu ein?

Aus meiner Sicht werden wir - die ehrenamtlichen Kolleg*innen und die hauptamtlichen Beschäftigten - im Sinne von Handlungskollektiven, die betriebliche Gewerkschaftsarbeit gemeinsam planen, durchführen und reflektieren müssen. Wir wollen wegkommen von der Appell-Ebene nach dem Motto „Ihr müsst!“ Unsere ehrenamtlichen Kollegen müssen überhaupt nichts, sondern sie sind freiwillig in der IG Metall und haben zugleich arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihren Arbeitgeber*innen. Deshalb sind wir nur erfolgreich, wenn wir uns wie Fische im Wasser, beide Seiten kennend, beweglich und versiert, gemeinsam an der Zukunft der Betriebe arbeiten.


Der Ansatz Die IG Metall vom Betrieb aus denken hat in seiner Ausrichtung auf Empowerment, Bildungsangebote und Beteiligung einen starken Einfluss auf die Veränderungsprojekte. Wird das auch die Arbeit in der IG Metall verändern? Und wenn ja, wie?


Natürlich wird sich unsere Arbeit als IG Metall insgesamt verändern, und zwar auf allen Ebenen. Ich fand ein Satz eines Kollegen aus der Frankfurter Vorstandsverwaltung, der in Leipzig mit dabei war, bezeichnend. Er sagte sinngemäß: „Ich bin beeindruckt von der Energie, die unsere ehrenamtlichen Kolleg*innen haben und würde mir wünschen, wenn wir auch in der Vorstandsverwaltung mit so viel Enthusiasmus, Ideen und Engagement alle an die Arbeit gehen. Dabei müssen wir dabei noch zusätzlich bedenken, dass wir bedeutend besser bezahlt werden, als viele unserer Kolleg*innen, die sich hier in Leipzig so in die Diskussion einbringen“. Das kann ich nur unterstützen. Wir als hauptamtliche Kolleg*innen sollten uns stärker vor Augen halten: Wir werden bezahlt von unseren Mitgliedern, damit wir gemeinsam mit Ihnen die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen verbessern. Richten wir unsere Arbeit daran aus? Das ist eine Kernfrage unserer Arbeitskultur, die wir uns jeden Tag immer wieder neu stellen sollten. Dann bekommen wir auch die notwendigen Veränderungen in unserer Arbeit hin.


Wird diese Denke die Arbeit auf allen Ebenen verändern?

Ich gehe davon aus. Ich habe jetzt ein praktisches Beispiel von einem Kollegen aus der Vorstandsverwaltung genannt. Diese Kernfrage unserer Arbeitskultur gilt für alle Ebenen, das gilt auch für die Geschäftsstelle, für die Bezirksleitungen oder die Bildungsarbeit. Ich erlebe ja gerade, wie Ihr unter diesem Gesichtspunkt dabei seid, Eure Arbeit zu verändern. Die Vorteile dessen liegen auf der Hand: Wir richten den Fokus wieder auf die Arbeit vor Ort im Betrieb, denn dort konzentriert sich unsere Macht.


Vielen Dank (die Redaktion der IG Metall Bildung).

Klaus Abel machte eine Ausbildung zum Elektromaschinenbauer, studierte Jura, war lange Betriebsrat, Leiter des Rechtsbereichs und Geschäftsführer der IG Metall Berlin und arbeitet heute als Projektleiter des Projekts Die IG Metall vom Betrieb aus denken beim Vorstand der IG Metall in Frankfurt.

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